Samstag, 3. Juli 2010

Wird der "schmale Weg" verbreitert?

So fragte der Essener Jugendpfarrer Wilhelm Busch bereits 1958 im Buch „Verkündigung im Angriff“1). Die Frage ist aktueller denn je und doch wird sie immer weniger gestellt. Das Ringen um die biblische Wahrheit wurde fast eingestellt. Oft wird missachtet, dass um die Konzepte der heutigen Evangelisation z.B. zwischen Billy Graham und Dr. Martyn Lloyd-Jones mit Nachdruck gerungen wurde. Aber auch dies war nur eine Verlagerung der Debatte die schon unter Charles Finney und Asahel Nettleton stattgefunden hatte.

Im Jahr 2002 hielt Paul Washer auf einem Jugendkongress eine Predigt mit dem Titel "ten indictments“ – zehn Anklagen – und brachte darin seine Betroffenheit gegenüber dem Niedergang der Wahrheit unter den Evangelikalen zum Ausdruck.

Weder fehlt es, noch fehlte es in der Vergangenheit an Hirten, die ihre aufrichtige Besorgnis gegenüber Tabubrüchen unter denjenigen die sich „bibeltreu“ nennen zum Ausdruck gebracht haben. Tatsächlich hat man diese Geschwister ignoriert und den schmalen Weg verbreitert.
Nicht umsonst schrieb ich vor einiger Zeit über „Buße bei Gläubigen“. Es ist nicht nur meine Überzeugung, sondern auch ein Teil meines eigenen Weges, das wir von falschen Wegen umkehren können.

„Bibeltreue“ ist kein Prädikat, das wir uns selbst ausstellen könnten. Das ist eine ernste Sache. Entweder sind wir seinem Wort treu oder wir sind es nicht. Wir mögen uns irren, aber das kann niemals bedeuten auf einem eigenwilligen Weg weiterhin zu beharren auf dem wir eben nicht treu sind! Gott will das wir beständig nach Seinem Weg fragen, ihn erkennen und gehen!

Daher erhebe ich diese Anklage und ich tue es nicht leichtfertig, sondern schweren Herzens, wenn ich sehe wie die Herde des Herrn Zerrissenheit, Verführung, Zerrüttung des Glaubens, Spaltungen und Parteiungen ausgesetzt ist:
So wie einst in den Tagen Jeremias erleben wir es auch heute:
»Und ich habe Wächter über euch bestellt, die sagen: Achtet auf den Schall der Posaune! Aber sie sprechen: Wir wollen nicht darauf achten.« (Jeremia 6,17; Elb.CSV)

Manche scheinen auch folgende Verse völlig aus ihrer Bibel gestrichen zu haben:
»Gedenkt eurer Führer, die das Wort Gottes zu euch geredet haben, und, den Ausgang ihres Wandels anschauend, ahmt ihren Glauben nach.« (Hebräer 13,7; Elb.CSV)
»Und von den Kindern Issaschar: Männer, die Einsicht hatten in die Zeiten, um zu wissen, was Israel tun musste; ihre Häupter, 200; und alle ihre Brüder folgten ihrem Befehl.« (1. Chronika 12,33; Elb.)
Wilhelm Busch sagte einmal zum Thema Sünde und Hölle:
„Entweder waren unsere Väter Narren, wenn sie in ihren Predigten die Sünder warnten - oder wir sind Narren, die wir alles tun, nur das Wichtigste nicht.“
Man kann diesen Satz heute auch gut verallgemeinern: „Entweder waren unsere Väter Narren – oder wir sind Narren.“
Wer sich mit der reformatorischen Theologie, den Erweckungen und Aufbrüchen des 18. Jahrhunderts, den Puritanern oder aber mit Männern wie Spurgeon, Darby, Kelly, Whitefield, Edwards, Wesley oder Tozer beschäftigt, muss feststellen: Was diese Männer vertraten und lehrten ist nicht das, was heute vertreten und gelehrt wird!

Wilhelm Busch führt in obig schon erwähntem Artikel aus:
1. Man erklärt: "Wir müssen zuerst mit der Jugend Kontakt suchen, ehe wir das Evangelium sagen können."
Ich finde, daß diese Erklärung ein erbärmliches Armutszeugnis ist. Ich habe alte Christen kennengelernt, die einen ungeheuren seelsorgerlichen Einfluß auf junge Menschen ausübten, nicht etwa dadurch, daß sie "Kontakt suchten", sondern dadurch, daß sie eine große Liebe hatten und eine große Vollmacht. […]

2. […]"Die Kirche hat früher den Menschen gesagt, wie sie selig sterben können. Heute müssen wir ihnen sagen, wie sie richtig leben können." […]
Damit stehen wir wieder bei der "Aufklärung". Das war eine geistige Bewegung, die um das Jahr 1800 die Kirche verwüstete, weil man nicht mehr Vergebung der Sünden predigen wollte, sondern "Lebenshilfe".

3. Die dritte Begründung, die uns für das Demas-Wesen in der evangelischen Jugendarbeit genannt wird, ist die kümmerlichste. Im habe sie oft genug, namentlich in Süddeutschland, gehört: "Wir müssen doch beweisen, daß wir in die Welt hineinpassen."
Ach du liebe Zeit! Dahinein passen wir (abgesehen von einigen komischen Typen) nur allzu gut! Die Frage ist vielmehr, ob wir in das Reich Gottes hineinpassen und ob an uns die Früchte des Heiligen Geistes, die in Galater 5, 22 genannt sind, sichtbar werden.
Die moderne Jugend fragt uns nicht, ob wir in die Welt hineinpassen, sondern sie fragt uns, ob wir eine göttliche Botschaft für sie haben, die wirklich dem Menschen im tiefsten Grunde hilft. […]
Da registrieren sie mit Begeisterung, wie viel Jugend sie "erreicht" haben und bedenken gar nicht, daß es nicht ums "erreichen" geht, sondern um einen heiligen Auftrag: "Ihr sollt meine Zeugen sein." Da werden Geld und Kraft verschwendet für Torheit und Allotria. Und die wirkliche Gemeinde seufzt und ist betrübt. Die ernsten jungen Menschen aber wenden sich schaudernd ab von einer Christenheit, die selbst kein Vertrauen mehr zu ihrer Botschaft hat.
Vieles was heute in der Jugendarbeit, aber auch in der Evangelisation stattfindet muss tatsächlich so eingeordnet werden, wie es Wilhelm Busch tut: Es sind erbärmliche Armutszeugnisse, weit entfernt von dem was Buße und Vergebung der Sünden eigentlich bedeutet. Torheit und Allotria – Vorprogramm, Theater, Phantomime, E“fun“gelisation - , anstatt Vertrauen auf die Botschaft des Evangeliums und seine Kraft. Als würde Gott nicht sagen:
»Ist mein Wort nicht so wie Feuer, spricht der HERR, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmettert?« (Jeremia 23,29; Elb.CSV)
»Denn das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist, sowohl der Gelenke als auch des Markes, und ein Beurteiler der Gedanken und Überlegungen des Herzens;« (Hebräer 4,12; Elb.CSV)
Dabei hinterfrage ich nicht die Motivation dieser Geschwister. Ich bin davon überzeugt, das es zutiefst ihr Wunsch ist Menschen zum Herrn Jesus zu führen - aber sie gehen dabei den falschen Weg. Hören wir deshalb noch einmal Wilhelm Busch:
Unser Herr hat seiner Kirche befohlen: "Ihr sollt meine Zeugen sein." Das ist ein klarer Auftrag. Nun ist es doch einfach ungehorsam, wenn die Christen erklären: "Herr, für unsere Zeit paßt das nicht mehr so ganz. Wir können nicht immer nur von Dir reden, denn wir müssen den jungen Leuten heute helfen, richtig in das Leben hineinzufinden. Oder wir müssen zumindest zuerst ziemliche Anmarschwege machen, ehe wir Dir, Herr, gehorchen können."
In meiner Bibel steht: "Predige zur Zeit und zur Unzeit!" Da haben wir die klare Anweisung, nicht nach dem Erfolg zu fragen, sondern unseren Auftrag auszurichten.
Der Herr wird mich an jenem Tage nicht fragen, ob ich ungeschickt war, wenn ich mit der Tür ins Haus fiel und einem jungen Menschen sagte: "Du brauchst Jesus!" Aber Er wird mich richten, wenn ich in fleischlicher Klugheit meinen Auftrag zurückstellte.
Fragen wir uns also aufrichtig: Sind wir Seine Zeugen? Verstehen wir uns als Gesandte des Herrn Jesus Christus, die Seine Botschaft treu, ohne Abstriche, aber auch ohne Hinzufügungen weiterzugeben wissen?
Oder meinen wir methodische Spielereien müssten dem Wort nachhelfen? Ich fürchte dann sind wir nahe daran „eine Form der Gottseligkeit [zu] haben, deren Kraft aber verleugnen“2). Stellen wir nicht in „fleischlicher Klugheit“ unseren Auftrag zurück oder wandeln ihn gar ab, sondern gehen in geistlicher Freimütigkeit voran!
Nochmals: Ein biblischer Weg ist möglich, er stand immer offen und immer haben Männer Gottes darauf hingewiesen. Verbreitern wir nicht den „schmalen Weg“. Kehren wir zurück zu Seinem Wort, das allein Macht hat Menschenherzen zu erreichen.

1) Das Buch ist eine Sammlung von verschiedenen Artikeln und erschien 1968, zwei Jahre nach dem Tod von Pfarrer Busch. Im Allgemeinen wird das Erscheinen des Artikels auf 1958 datiert.
2) siehe in 2. Timotheus 3,5